„Und im Fenster der Himmel“ von Johanna Reiss

Es ist wieder Bullenzeit: „Was ich zu schreiben versucht habe, war ein schlichtes, menschliches Buch […]“, beschreibt Johanna Reiss ihr Werk vor dem ersten Kapitel. Ich finde gerade diese Darstellung des Buxtehuder Bullen Preisträgers von 1975 äußerst passend. Dies ist zum einen der Grund, weshalb es mir zunächst schwer fiel, in dieses Buch hineinzufinden. Zugleich ist es diese schlichte Menschlichkeit, wegen der ich diese Geschichte im Nachhinein so viel mehr wertschätzen konnte. Es geht um Annie. Sie ist Jüdin in Holland und auch dort nicht sicher vor den Nazis. Ihre Familie überlegt in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Die Pläne werden wieder verworfen. Nun müssen sie sich verstecken. Annie und ihre Schwester werden bei Bauern untergebracht. Johanna Reiss erzählt hier von ihren eigenen Erlebnissen. Sie nimmt uns mit auf ihre Reise in die Vergangenheit und hier findet man etwas, was ganz typisch ist für Berichte von Holocaust-Überlebenden: Es dauert eine Weile bis sie auf ihre Gefühle eingeht. Insgesamt wirken ihre Beschreibungen sehr distanziert, abgestumpft. Annie wirkt immer mehr wie betäubt. Wie soll ein Mensch ein solches Schicksal auch ertragen können, wenn nicht durch einen gewissen Abstand zur Realität? Ihr Schmerz und ihre Einsamkeit wird dennoch auf subtile Weise durch die Art des Erzählens deutlich: „Es war doch alles in Ordnung, wie es war. Hat mir doch nichts ausgemacht. Nein, das hab ich nicht gemeint. Es hat mir was ausgemacht. Hat es.“(S.205) Solche Diskussionen mit sich selbst häufen sich immer mehr. Bis sich Annie in ihrer Einsamkeit irgendwann sogar an das Fenster in dem Raum, in dem sie sich später versteckt, wendet. Gerade bei diesen Passagen, die so ruhig und doch voller Leid sind, tat es fast schon weh, weiter zu lesen. Hinzu kommt dann noch die Bauernfamilie, die beim Lesen einen speziellen Platz in meinem Herzen bekommen hat: ihre Liebe (die sie kaum offen zeigten) gegenüber den zwei fremden Mädchen, ihr starkes und humorvolles Auftreten, hinter dem sie große Angst verbergen. Das sind die Komponenten, die das Buch mit Menschlichkeit erstrahlen lassen. Und meine Augen waren am Ende auch nicht mehr trocken… Eure Katja vom Team Schwarz auf Weiß