„Liebe ist gewaltig“ von Claudia Schumacher

Das Buch in einem Satz: Heile Kleinstadt-Fassade nach außen, prügelnder Vater in der Villa und ein Mädchen, das versucht, Heilung zu finden.

Lesenswert, weil es großartig ist, verstörend, Eindruck hinterlassend und eben großartig!

Für alle Fans von „Die Wut die bleibt“ von Mareike Fallwickl, „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher – guten Büchern, die etwas Wichtiges zu erzählen haben.

Den ersten Teil von „Liebe ist gewaltig“ aus der Feder von Claudia Schuhmacher habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Wie uns die 17jährige Juli von ihrem Alltag aus Hass, Angst, Erniedrigung und Gewalt erzählt, hat einen solchen Sog entwickelt, dass ich wie gebannt weiterlesen musste. Der schnodderige Ton, ein rasantes Tempo und unglaublich gute Szenen lassen einen kaum Luft holen beim Lesen.

Der gewalttätige Vater hat die Mutter und die vier Geschwister im Griff. Die Mutter ist zwar erschüttert, wenn er die Kinder verprügelt, aber sie schweigt und ist seine Erfüllungsgehilfin. Im Laufe des Buches folgen wir Juli in ihrem Leben nach Berlin, in die Schweiz, wie sie versucht, Halt und Heilung zu finden, „normal“ zu sein. Jeder Lebensabschnitt endet mit einer Katastrophe, einem BÄM.

Claudia Schuhmacher hat so unglaublich eindrückliche Sätze für die Gedanken ihrer Protagonisten gefunden: „Ich beiße auf ein Kügelchen (im Eis), ein Frostblitz fährt mir in die Stirn, kein Wimpernzucken. Schmerz amimisch wegstecken gehört zu meinen Kernkompetenzen.“ Und für die Atmosphäre ihres Aufwachsens: „Bei uns gab es weder Schokolade noch Chips, aber Selbsthass für alle.“

Das Ende ist glücklicherweise versöhnlicher, sodass man nicht völlig zerstört aus diesem grandiosen Buch wieder auftaucht. Claudia Schumacher hat die perfekten Worte für ihre Geschichte gefunden. Herausgekommen ist ein sprachgewaltiges Debüt! Eines meiner absoluten Jahres-Highlights 2022.

Eure Tanja vom Team Schwarz auf Weiß