„Jetzt ist alles was wir haben“ von Amy Giles

 Bullenzeit: „Mein Vater schießt aus dem Arbeitszimmer, eine Windböe vor dem Sturm, seine Schritte sind das Grollen des Donners, sie kommen näher, näher.“ (S.49)

Was macht es mit einer Person, wenn ein Elternteil, das einen lieben und schützen sollte, zum größten Peiniger wird? Was passiert, wenn das Zuhause als Zufluchtsort zur persönlichen Hölle wird?

Eine mögliche Antwort auf diese Fragen gibt unser dieswöchiger Bullenpreisträger „Jetzt ist alles, was wir haben“ von Amy Giles.

Denn Hadley, die 17-jährige Protagonistin, versucht alles, um es ihrem Vater Recht zu machen: viel Sport, Spitzennoten, Flugstunden und die bestmöglichen Leistungen auf dem Lacrosseplatz. Was Hadley selbst mit ihrem Leben machen möchte, spielt keine Rolle.

Sie tut das alles vor allem, um ihre 10-jährige Schwester Lila zu schützen; damit ihr Vater seinen Fokus nicht auf sie lenkt. Denn hinter der Fassade der reichen, perfekten Familie liegt ein dunkles Geheimnis.

Das Buch wechselt zwischen „Jetzt“- und „Damals“-Kapiteln. Man erfährt also sofort, dass es zu einer Katastrophe kam, in die Hadley involviert war. In Polizeiprotokollen werden außerdem Freunde und Bekannte von ihr interviewt. In den „Damals“-Kapiteln erfährt man allmählich, was sich bei Hadleys Familie abspielt.

Ich habe eine solche Teilung in Romanen gern: das Geschehen wird dynamischer und von beiden Seiten aufgerollt, sodass die Spannung durchgängig erhalten bleibt und man erst zum Schluss das Gesamtbild erkennen kann.

Des Weiteren trumpft der Roman mit einigen liebenswürdigen Nebencharakteren auf: Die quirlige Schwester Lila und der einfühlsame, loyale Freund Noah haben mir besonders gut gefallen.

Aber auch für Fans von Romanzen ist hier was dabei: Hadley lernt zu Beginn des Romans Charlie kennen und lieben. Die Beziehung spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte, da sie ein großer Halt für Hadley ist, gleichzeitig aber zu Schwierigkeiten führt.

Amy Giles hat ein literarisches Werk geschaffen, das mit der Thematik – welche gerade zu Corona- und Quarantänezeiten aktueller denn je ist – berührt, informiert und mit einem überraschenden Ende sogar schockiert. Definitiv eine spannende Lektüre

Eure Katja vom Team Schwarz auf Weiß