„Gentleman über Bord“ von Herbert Clyde Lewis

Das Buch in einem Satz: Es geht um die Peinlichkeit eines Ausrutschers und darum, wie Henry Standish damit umgeht, während sein Schiff ohne ihn weiterfährt.

Lesenswert, weil es ein kleiner (Buch-)Schatz von 1937 ist und diese Leichtigkeit des Schreibstils einen wortwörtlich umhaut.

Für alle, die nicht glauben können, dass ein kleines Missgeschick sie aus der Welt, wie wir sie kennen, hinausfallen lassen kann. 

Henry Standish, seines Zeichens Gentleman und Börsenmakler von Beruf, ist erfolgreich aber innerlich leer. Um seine Krise zu überwinden, unternimmt er eine längere Reise und es scheint ihm besser und besser zu gehen. Auf der letzten Schiffsfahrt rutscht er aus und fällt von Bord ins Meer. Wir begleiten Henry dabei, wie er dieses Missgeschick als eines Gentlemans unwürdig befindet und sich über seine Blamage ärgert. Während er noch entspannt weiter schwimmt, stellt er sich vor, wie er später erzählen wird, wie er einst allein im Meer schwamm, ohne Angst vor Haien. Fest davon überzeugt, dass das Schiff umkehren wird; doch während er um sein Leben schwimmt, geht an Bord und in der Welt das Leben einfach weiter – auch ohne ihn.

Ich habe nicht erwartet, dass so ein unangenehmes Thema (allein die Vorstellung alleine im Meer zurückzubleiben während mein Schiff einfach weiter fährt!!!) so leicht, beinahe schon witzig zu lesen sein könnte. Wir begleiten sowohl Henry selbst, wie er strategisch clever vorgeht und Mantel, Hose, Hemd als Ballast wegwirft und hoffen und bangen mit ihm und gleichzeitig erfahren wir, wie das Leben der wenigen mitreisenden Passagiere einfach, ja geradezu ungestört weitergeht.

Wann fällt es denn auf, wenn jemand plötzlich nicht mehr da ist? Und wer bemerkt es zu erst? Zu welchen Schlussfolgerungen führt unser Wegsein? Wie leicht ein Leben aus den Fugen geraten oder enden kann, zeigte Herbert Clyde Lewis schon 1937 mit diesem Buch, das es erst jetzt in großartiger Übersetzung auf Deutsch erschien. Ich habe mir viele Stellen im Text markiert und mein Eintrag in mein Buchjournal zeigt, das es viel zum Drüber-Nachdenken im Buch gibt. Wundervoll sind übrigens auch der Schuber, der mit Bild bedruckte Einband des Buches und die ganz glatten, beinahe schon weichen Buchseiten; wahrlich ein Schatz, den der mareverlag da gehoben hat.

Eure Anja vom Team Schwarz auf Weiß

PS: Das Buch steht übrigens mit dem Cover nach vorn bei mir im Bücherregal