„Demon Copperhead“ von Barbara Kingsolver

Das Buch in einem Satz: Junger Mensch im Süden Virginias versucht verzweifelt beim Erwachsenwerden nicht unterzugehen, auch wenn ihm ganze Berge in den Weg gelegt werden.

Lesenswert, weil intensiv, lehrreich, erschütternd, großartig, humorvoll – und ein Ich-Erzähler, der sich in dein Herz schleicht.

Für alle, die durch die Lektüre eines Buches gern im besten Sinne erschüttert werden wollen.

Lieber Demon, was habe ich mit Dir gelitten. Über 800 Seiten lang bin ich Deinem Weg in das Erwachsenenleben in den Appalachen Süd-Virginias gefolgt. Ich habe mit Dir geweint, geflucht und gelacht. So bitter, so wahr, so wahrhaftig. Ich liebe dieses Buch – obwohl es mich so erschüttert hat. Nur dein Humor, dein freches Mundwerk und dein liebevoller Blick auf deine Leute haben mich nicht völlig verzweifelt zurückgelassen.

Demons Weg auf die Welt war schon schwer genug, seine Teenage-Mom auf Drogen, der Dad bereits tot. Die Nachbarn des Trailers sind seine Rettung: Die Peggots und ihre zahlreichen Kinder, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Maggot, der Sohn einer im Knast sitzenden Tochter der Peggots, und er sind unzertrennlich. Hillbillies, Rednecks, Hinterwälder – so werden die Menschen der Region abschätzig genannt. Das bekommen sie zu spüren, egal ob beim Football, wenn sie bei einem Spiel mit Kuhmist beworfen werden oder auf dem Comedy-Kanal „Glauben die ernsthaft, dass wir nicht nur vollkommen hirnlos sind und Tiere ficken, sondern auch kein Kabelfernsehen haben?“, überlegt Demon. „Wir können euch hören.“

Barbara Kingsolver kommt selbst aus der Region und prangert in ihrem Buch die dortigen Missstände an: Opioid-Krise, Fürsorgesystem, Gesundheitssystem etc. In ihrem Nachwort schreibt sie „Die Kinder, die an diesen dunklen Orten jeden Tag hungrig erwachen, die ihre Eltern durch Armut und Schmerzmittel verloren haben, deren Sachbearbeiterinnen ständig ihre Akte verlegen, die sich unsichtbar fühlen oder sich wünschen, sie wären es: Dieses Buch ist für euch.“ – und ich muss schon wieder mit den Tränen kämpfen.

Natürlich ist David Copperfield von Charles Dickens das Vorbild für diesen Roman. Auch Demon liest das Buch von dem „uralten Typ“ und fühlt sich verstanden „…, er hat es echt gut beschrieben, wie Kinder und Waisen beschisschen und ausgebeutet werden und es keinen einen Furz interessiert. Man hätte meinen können, er wäre von hier.“ Und Demon muss es wissen.

Mehr kann man von Literatur nicht erwarten. Ganz großes Kino!

Eure Tanja